Montag, 14. Februar 2022
Harmonie, -n
Heute war ein schöner Sonntag, fast wie früher. Es begann schon damit, dass ich noch im Bett die Morgensonne registrierte und lange den Spatzen im Baum vorm Fenster zuhörte, ohne schlechtes Gewissen. Ich erkannte das Gefühl wieder und freute mich. Mir war wohl. Als ich runter ging, war es schon nach zehn und die Schwester schon lange durch.
Der Pflegling wartete immerhin schon seit drei Stunden, hat aber jetzt immer eine Schale mit Nüssen und Rosinen auf dem Tisch, aus der er sich bedienen und Wartezeiten überbrücken kann, und sich auch sonst zwischendurch ein paar Kalorien zusätzlich anfuttern soll.
Medikamente waren zu spät; da besprachen wir, für die Zukunft Freitagabend und Samstagabend eine Sicherheitsreserve für den nächsten Morgen zu deponieren. Einfacher wäre, wenn die Schwester die Tabletten aus dem Kühlschrank holt, wenn die Pflegeperson einmal ausschlafen muss, aber solche Sperenzchen zahlt die Kasse nicht.
Wir frühstückten und sprachen über dies und das, bis gegen 12 die Jugend erschien. Später waren wir alle noch erstaunlich tüchtig, vom Frühlingswetter animiert, und fegten zwei Gehwege (eigener und Nachbars vom Schülerinnenjob), zerlegten alle alten Kartons und sortierten Leergut. Teils unter schnaubendem Protest, aber immerhin. Ein Schwätzchen am Zaun. Der Nachbar will uns helfen, ein kaputtes Stück Zaun zu reparieren, da können wir von ihm lernen, wie es geht. Wir werden uns noch viel Handwerkliches aneignen müssen in den nächsten Jahren.
Der Pflegling brach währenddessen mit dem E-Rolli zu einem Ausflug in die Natur auf, von dem er so lange nicht zurückkehrte, dass man begann, sich zu sorgen und zu telefonieren. War aber alles gut, nur bei der Rückkehr kam es zur Krise, weil die Räder des E-Rollis voller Waldboden waren, was erst in der Küche bemerkt wurde, in der bereits konzentrierte Essensvorbereitungen im Gange waren. Kurzer Verlust der Fassung, dann schnell zurück gescheucht über die Rampe wieder raus in den Hof und dort zu zweit mit J eine Viertelstunde das Profil der Räder ausgekratzt und abgebürstet, mit Essstäbchen und Messern, und parallel dazu über die Schulter in die Küche F Anweisungen für die Sommerrollen zugerufen. Alles flutschte, wir waren ein Team, ich war glücklich und ruhig. Sollten wir es schaffen? Das gemeinsame Essen dann war in Harmonie und ein Genuss, dass mir das Herz aufging. Später zogen sich alle zurück, lesen, zocken, stricken. Auch der Abenddienst war friedlich, ich war heute eingeteilt, und obwohl ich noch lange in der Küche räumte, hatte ich keinen Groll.