Sonntag, 23. Februar 2014
Arbeiten geht bei mir ja nur im Zustand der quasi schizophrenen Persönlichkeitsspaltung. Ich kann das nur, wenn ich so tue, als sei ich nicht ich. Ich habe diese Methode der künstlichen Verfremdungshaltung aus der qualitativen Interviewforschung übernommen. Ich führe das jetzt mal an praktischen Beispielen aus.

Hausarbeit. Vorangestellt sei, dass ich bei mir daheim eine lausige Hausfrau bin. Ich weiß nie, wo ich anfangen soll, und mein Elan erlahmt früh. Ganz anderes erlebe ich, wenn es dazu kommt, dass ich in fremden Haushalten putze! Dann ist mein Blick scharf für Missstände aller Art, mein Vorgehen hat Struktur und Effizienz, ich bin berauscht von meiner Tüchtigkeit. Daraus habe ich gelernt, dass ich mir einfach nur vorstellen muss, ich befinde mich in einer fremden Wohnung, und es flutscht.

Schreibarbeit. Ähnlich geht es mir mit geschriebenen Texten. Über denen brüte ich als ICH oft entscheidungsschwach und ideenarm. Denke ich mir aber, es sei fremdes geistiges Eigentum, kann ich konstruktiv Kritik üben und redigiere unsentimental und effizient.

Erziehungsarbeit. Kinderhaben führt ja zu einer Menge von Erkenntnissen über sich selbst, auf die man im Nachhinein gut hätte verzichten können. Ich wusste zum Beispiel vorher nicht, dass ich ungeduldig, jähzornig, gewaltbereit, borniert, ungerecht und zickig bin, kurzum: meinem Selbstbild als gütige, nachsichtige Mutter gar nicht entspreche. Aber jetzt: Ich stelle ich mich gedanklich neben mich, sehe mich mit fremden Augen an und sage mir folgendes Mantra vor "diese Kinder sind nicht meine Kinder, es sind die armen gegängelten Kinder einer völlig anderen, gerade eben mitleiderregend überforderten Person", dann kann ich als NICHT-ICH plötzlich die Herausforderung lässig und mit Humor lösen!

Inzwischen habe ich das zur Technik ausgebaut. Immer, wenn es kritisch wird, mache ich einen kleinen geistigen Parcours, bis ich nicht mehr ich bin, meine Wohnung nicht mehr meine Wohnung, meine Kinder nicht meine Kinder etc. Ich werde jemand anderes. Einfach ein besserer Mensch.

Ich verstehe nicht wirklich, was das bedeutet und wo das alles noch hinführen soll, aber es hilft. Und falls Zweifel aufkommen, dann stelle ich mir kurz vor, ich sei nicht ich, und mein Blog ist nicht mein Blog und ...

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